Pitigliano – Wohnmobil-Reise durch die Toskana

23Pitigliano. Pittoresk, ja fast surreal thront der kleine Ort auf einem 300 Meter hohen, steil abfallenden Felsen aus Tuffstein. Es scheint, als würden die Häuer aus dem Felsen direkt in den Himmel wachsen.

Der Ort zählt nicht einmal 4.000 Bewohner. Viel mehr hätten auf dem kleinen Vorsprung wahrscheinlich auch gar keinen Platz.

Vor einigen Jahren war Pitigliano noch ein richtiger Geheimtipp. Inzwischen mausert sich die Gegend in der südlichen Toskana zu einem beliebten Ferien- und Ausflugsziel. Vor allem im Juli und August und an den Wochenenden kommen die Besucher.

Pitigliano –
Parken und Übernachten mit dem Wohnmobil

In der Umgebung sind die Stellplätze eher rar gesät, viel Auswahl hat man nicht.

In Pitigliano selbst gibt es einen offiziellen Wohnmobilstellplatz.
Der Stellplatz liegt auf einem ebenen, geteerten Parkplatz.

Ver- und Entsorgungsmöglichkeiten sowie Strom sind nicht vorhanden.

Der Wohnmobilstellplatz ist zwar nicht sonderlich einladend, dafür ruhig und für eine Nacht völlig ausreichend.

Parken und Übernachten sind gratis.

Bis in die Innenstadt sind es etwa 15 Minuten zu Fuß.

Pitigliano – die Geheimnisse des Tuffsteins

Pitigliano liegt ganz im Süd-Osten der Toskana, in der Provinz Grosetto, an der Grenze zu Latium. In dieser Region, im Stammland der Etrusker, sieht die Toskana so gar nicht nach  „der Toskana“ aus, wie man sie sich im klassischen Sinne vorstellt.

Hier im Süden ist die Toskana geprägt von Tuffstein und Wald. Die Felsen wurden vor 300.000 Jahren von Vulkanen geschaffen. Das Landschaftsbild zieht sich über knapp 200 Kilometer in den Süden. Die letzten Ausläufer reichen hinunter nach Rom.

Klar, Weinanbau gibt es auch hier. Die edlen Tropfen reifen unterirdisch, in alten Grabhöhlen die bereits die Etrusker mehrere hundert Jahre vor Christi Geburt in die Felsen geschlagen haben.

Die Besiedelung der Tuffsteinfelsen beginnt sogar noch vor den Etruskern.  Erste Belege gehen etwa 1.500 Jahre v. Chr. zurück.

Nach den Etruskern kamen – mal wieder – die Römer.

Im Mittelalter, ab etwa dem 9. Jahrhundert übernahmen die Aldobrandeschi das Regiment. Die Aldobrandeschi waren ein mittelalterliches, papsttreues Adelsgeschlecht aus dem etwa acht Kilometer entfernten Sovana.

Die Adelsfamilie der Orsini lösten die Aldobrandeschi im Jahr 1312 ab. Auf die Familie Orsini geht der Palazzo Orsini, die Burg am Anfang der Altstadt zurück.

Obwohl es das alte Adelsgeschlecht noch heute gibt, regierten die Orsini nur knappe 300 Jahre. Ab 1604 gehörte das Territorium den berühmten Medici, einer reichen Kaufmanns- und Bankiersfamilie aus Florenz.

Pitigliano und die Juden

Etwas verwundert waren wir schon, als wir in einer Gemeinde mit 3.800 Einwohnern ein Jüdisches Viertel samt einer von Polizisten bewachte Synagoge vorfanden.

Bereits im 16. Jahrhundert suchten die Juden zuflucht in Pitigliano. Sie flohen aus dem Vatikanstaat, der in der nur fünf Kilometer entfernten Provinz Latium liegt. Die Grafen von Orsini duldeten die Juden in ihrer Stadt, gaben ihnen sogar Land für einen eigenen, heute noch bestehenden Friedhof.

1850 erreichte ihr Anteil an der Bevölkerung mit knapp 20% ihren Höhenpunkt.

Nach dem Erlass der „Rassegesetzte“ im Jahr 1935 sank die Anzahl jüdischer Gemeindemitglieder beträchtlich. Einige konnten rechtzeitig emigrieren. Andere wurden deportiert. Wer Glück hatte, fand ein Versteck bei Nachbarn.

Heute hat der Ort keine aktive Jüdische Gemeinde mehr, die Bräuche und Traditionen werden in „Picolla Jerusalemme“ in „Klein Jerusalem“ von einem Verein aufrecht erhalten.

Pitigliano Heute

Seit jeher ist der Tuff in der Region ein beliebtes Baumaterial. Der Stein wird in Ziegelform aus dem Felsen geschlagen und zum Häuserbau verwendet. Die selbe Farbe von Fels und Ort gibt Pitigliano den Anschein, als würden die dicht gedrängten Häuser aus dem Felsen wachsen.

Erst in den letzten Jahren haben Touristen den Ort entdeckt. Noch ist er – gerade außerhalb der Saison und unter der Woche – richtig ursprünglich. Auf den Straßen sind uns nicht viele Menschen begegnet, geschweige denn Touristen.

Pitigliano
Schnappschuss in den Gassen von Pitigliano

Um den Ort an sich und den Tourismus in der Region zu fördern, wurde Pitigliano in die Vereinigung „I borghi più belli d’Italia“ aufgenommen. Die Vereinigung hat es sich zur Aufgabe gemacht, kleinere, besonders sehenswerte Orte zu erhalten und touristisch zu erschließen bzw. bekannt zu machen.

In den engen, mittelalterlichen Altstadtgassen haben sich in den letzten Jahren kleine Delikatess-Geschäfte, Kunsthandwerker und nette Cafés angesiedelt.

Delikatessengeschäft in Pitigliano
Delikatessengeschäft in Pitigliano

Die Höhlen von Pitigliano

Unter dem Ort gibt es alte Höhlen. Man sagt, die Etrusker haben sie vor über 2.500 Jahren in die Felsen geschlagen. Das Volk aus der Antike nutzte sie – wie auch später die Römer – als Grabstätten für ihre Angehörigen.

Heute lagert man in den Höhlen gerne Wein ein oder nutzt sie zum Kühlen von Lebensmitteln.

Sehenswertes in Pitigliano

In Pitigliano gibt es eine Menge zu entdecken. Imposant sind natürlich der Ort selbst und seine einmalige Lage. Die Gassen sind so eng, dass man nicht einmal Verbots-Schilder für Autos aufstellen muss, das regeln die Gegebenheiten von Selbst.
Ausgenommen: Vespa und Ape. Die gehören natürlich zum guten Ton!

Palazzo Orsini

Palazzo Orsini
Rechts im Bild: Der Palazzo Orsini

Der Palazzo Orsini war einst der Wohnsitz der Grafenfamilie von Orsini. Über mehrere Jahrhunderte hinweg wurde die Anlage erweitert. Heute ist in dem Gebäude ein archäologisches Museum untergebracht. Zudem ist der Palazzo Wohnsitz des Bischofs.

Aquädukt

Bereits im 16. Jahrhundert begann man mit dem Bau eines Aquädukts, einer Wasserleitung, die den Bewohnern fließendes Wasser in die Haushalte bringen sollte. Unter den Medici wurde das Aquädukt schließlich im 17. Jahrhundert fertig gestellt.

Der Dom

An der Piazza San Gregorio steht der Dom mit seiner barocken Fassede. Er stammt aus dem 15. Jahrhundert. So gar nicht dazupassen mag sein eher robust wirkender Glockenturm. Rechts auf der Säule sitzt ein Bär. Er ist das Wappentier der Familie Orsini.

Jüdisches Viertel

Das Jüdische Viertel der gemeinde wird heute von einem Verein betreut. Neben koscherem Rotwein kann man auch andere koschere Lebensmittel wie ungesäuertes Brot, Fleisch- und Wurstwaren hier kaufen. Der Jüdische Friedhof kann bei Interesse und nach Voranmeldung besichtigt werden.

In der Nähe…

Die wohl schönste Aussicht auf Pitigliano hat man von der Kirche „Madonna delle Grazie“. Sie liegt außerhalb an der Straße in Richtung Manciano, in einer steilen Links-Kurve (von Pitigliano kommend)

Für uns geht es nach nur einer Nacht weiter. Wir fahren an die Küste, nach Porto Santo Stefano.

Wohnmobil-Reise durch die Toskana: hier geht´s weiter zum Hauptartikel über unsere Wohnmobil-Rundreise durch die Toskana.

 

Annalena Bauer
Annalena Bauerhttps://www.ausflugsbox.de
"In Bayern daheim - in der Welt zu Hause". Auch wenn Annalena beruflich viel und gerne weltweit unterwegs ist, gefällt es ihr "dahoam" schließlich doch am Besten. Mit "dahoam" ist allerdings nicht das heimische Wohnzimmer, sondern vielmehr Bayern und der Alpenraum gemeint. Ob zu Fuß oder mit dem Rad - Hauptsache in der Natur!

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