Man kann schon sagen, dass die Japaner eine sehr spezielle, gar innige Bindung zu ihrem heiligen und mit 3776 Meter höchsten Berg haben:
Der Fuji ist in Japan allgegenwärtig. Sei es auf Werbeplakaten, Postkarten, Zeichnungen, in Sticker- oder Keksform, in Souvenir- oder 100 Yen Shops. Einfach überall.
Japan hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen. Außerdem wandere ich auch sehr gerne. Also war es nahe liegend, dass dieser Berg ganz oben auf meiner „Berg-Gipfel-Wunschliste“ stand.
Inzwischen war ich sogar schon zwei mal dort: das erste Mal hat die Sache mit dem Gipfel leider nicht geklappt, an der 8. Station mussten wir abbrechen.
Beim zweiten Mal haben wir es dann bis ganz nach oben geschafft!
Wandern auf den Fuji – ein Erfahrungsbericht
Ich habe das Glück und kann Arbeit und Freizeit häufig miteinander verbinden.
Beruflich bin ich hin und wieder in Japan, habe dann allerdings nur begrenzt Zeit.
Im Umkehrschluss heißt das, dass ich quasi mehr oder weniger nach Ankunft direkt los muss, um den Gipfel des Fuji zu erreichen.
Schon bei meinem ersten Besuch in Tokyo fest, dass ich irgendwann einmal „da rauf“ muss.
Mount Fuji – die Planung:
Immer wieder finden sich Kollegen, die genauso wanderfreudig wie ich sind.
Susanne zum Beispiel. Also haben wir zugesehen, dass wir im selben Zeitraum nach Tokyo fliegen können, um gemeinsam den Fuji zu erleben.
Schon einige Wochen im Voraus machten wir uns Gedanken, die man sich eben so macht. Dazu zählten Fragen wie:
- Wann ist der Berg, der doch ein fast 4.000er ist überhaupt begehbar?
- Welche Route nehmen wir? (Insgesamt gibt es vier)
- Wie kommen wir hin?
(Einfach einen Leihwagen zu nehmen geht in Japan leider nicht. Der Deutsche Führerschein ist in Japan nicht gültig, bzw. müsste umgeschrieben werden.) - Was müssen wir alles mitnehmen?
Als alle Fragen soweit geklärt waren, fühlten wir uns fit für unser „Fuji Abenteuer“.
In einer Woche Mitte August ging es mit einer Lufthansa Maschine nach Tokyo.
Im Flug nutzen wir jede mögliche Minute zum Schlafen. Wir wussten, dass wir in Tokyo nicht viel Zeit haben werden, bis der Bus in Richtung Fuji abfährt.
Fuji die Erste – Tag 1:
Bereits von zu Hause aus hatten wir uns zwei Plätze im „Highway Bus“ gebucht.
Die Vorfreude auf die kommende Nacht war riesig!
Unser Plan: wir nehmen einen möglichst späten Bus, wandern durch die Nacht und sind dann – pünktlich zum Sonnenaufgang – am Gipfel.
Soweit so gut.
Nach einem großen Pott Udon-Nudelsuppe marschierten wir in Richtung U-Bahn. Unser Hotel lag außerhalb der Innenstadt. Bis zur Shinjuku Station, von der die Highway-Busse abfahren, mussten wir noch eine knappe Stunde mit der Bahn fahren.
Nach einigen Stationen kam plötzlich eine längere Durchsage. Auf japanisch versteht sich. Außer uns waren kaum Fahrgäste in der Bahn. Nach der Durchsage stiegen einige von ihnen aus. Trotzdem schenkten wir dem ganzen keine besondere Aufmerksamkeit.
Bis, ja… bis die Bahn auf einmal kehrt machte und in die Richtung, aus der wir bereits gekommen waren, zurück fuhr…
Wir standen wieder in Makuhari, der Station, in die wir eingestiegen waren.
Obwohl wir mit einer guten Stunde sehr viel Zeit zum Umsteigen eingeplant hatten war klar, dass wir den Bus keinesfalls mehr erreichen können.
Am Abend saßen wir wieder im Hotel.
Fuji die Erste – Tag 2:
Nach der Ernüchterung des Vortages wollten wir es am zweiten Tag unbedingt noch einmal probieren, einen Bus zum Fuji zu bekommen.
Also haben wir uns ganz bald am Morgen in der Hotellobby getroffen, um einen neuen Versuch zu starten.
Bis zur Shinjuku Station kamen wir diesmal ohne Zwischenfälle.
Die gestrige Situation blieb uns ein Rätsel. Verspätungen werden im Japanischen ÖPNV schließlich im Sekundentakt gemessen…
Naja. Wir konnten ja ohnedies nichts mehr daran ändern.
Unsere Hoffnung, gleich den ersten Bus nehmen zu können wurde am Ticketschalter jäh zerstört. Die nette Dame klärte uns auf, dass „Obon-Week“, einer der höchsten Japanischen Feiertage sei. Da pilgert alles was irgendwie einen Fuß vor den anderen setzen kann, den Fuji hinauf…
Nach kurzem überlegen beschlossen wir, den nächstmöglichen Bus zu nehmen. Wir hatten schließlich eine Mission!
Gegen Mittag war es endlich soweit. Nach einer Fahrt von 1:45 Stunden standen wir endlich am Fuji. UNGLAUBLICH!
Auf den Fuji gibt es mehrere Routen. Die leichteste und mit öffentlichen Verkehrsmitteln am einfachsten zugängliche führt über den „Yoshida Trail“. Der Einstieg liegt auf 2.300 Metern.
Regen, Wind und ein Wettlauf gegen die Zeit
Dass es am Berg regnen sollte wussten wir. Nachdem der Fuji an sich kein schwieriger Berg ist, es also keinen Stellen gibt, an denen aufgrund von Nässe abrutschen kann, nahmen wir „das bisschen Nass“ in kauf. So schlimm würde es ja wohl nicht werden.
Weit gefehlt. Bei strömendem Regen ging es im Stechschritt in Richtung Berg. Wir zogen die verwunderten Blicke der Japaner auf uns. Zwei Langnasen am Fuji. Sicherlich fragten sie sich, warum wir wohl so schnell laufen.
Dazu muss man sagen: ein Genuss war es für uns trotzdem.
Irgendwie hat der Wettlauf gegen die Zeit auch Spaß gemacht.
Je weiter wir nach oben kamen, umso stärker wurde der Wind. Der Regen lies aus nicht nach. Er schlug uns peitschend ins dauergrinsende Gesicht.
Inzwischen waren wir – trotz solider Regenkleidung – patschnass. Aber sehr glücklich!
Wie kleine Kinder an Weihnachten, freuten wir uns, dass wir es endlich zum Fuji geschafft hatten. Und über die Tatsache dass kein Nörgler dabei war, der aufgrund der Situation oder des Wetters, oder sonstigen Gründen einen Rückzieher gemacht hat.
Ihr wisst schon, welche Sorte Mensch ich meine…
Wir haben beide einen sehr guten Tag erwischt und kommen trotz der merklich dünner werdenden Luft sehr zügig voran.
Trotzdem müssen wir die Uhr im Blick behalten. Eine Übernachten können wir uns leider aus Mangel an Zeit nicht leisten. Den Bus, der uns um 19:00 Uhr zurück nach Tokyo bringen soll, dürfen wir keinesfalls verpassen.
An einer Engstelle staut es sich dann. An überholen ist jetzt nichtmehr zu denken. Also stellen wir uns brav in die Reihe und warten, bis wir die nächsten Meter gehen können.
Wir wundern uns, dass bei dem „Sauwetter“ in der Tat so viele Menschen den Fuji besteigen.
7. Station – Eine Entscheidung muss gefällt werden
An der 7. Station gab´s nochmal einen kleinen Pitstop und eine kurze Lagebesprechung.
Unsere Finger sind kalt. Alles ist Nass. Es macht keinen Spaß, den völlig durchnässten Plan rauszuholen. Dass wir unser Ziel, den Gipfel, doch noch erreichen ist utopisch.
Nachdem der Weg zum Gipfel offiziell eine Einbahnstraße ist, beschließen wir, zumindest bis zum „Main 8th Step“ auf 3.380 Meter weiter zu gehen und von dort über den „Gesan Trail“ wieder nach unten zu gehen.
Auch an der 8. Station halten wir uns nur kurz auf. Ich hole mit noch einen Stempel für´s „Hüttenstempel-Sammelalbum“, dann geht´s retour.
Der Weg nach unten macht eindeutig weniger Spaß.
Ich liebe es, Berge RAUF zu laufen. Runter. Ja, gehört halt dazu.
Auf dem Weg nach oben kamen wir – trotz Kälte – ins Schwitzen. Beim Abstieg merkten wir, wie nass und kalt der Tag eigentlich war. Die Regenklamotten halten schon längst nicht mehr was sie versprechen.
Inzwischen sind wir nass bis auf die Haut. Von oben läuft Wasser in die Schuhe. Die Finger haben vor lauter Nässe rillen, als sei man zu lang in der Badewanne gewesen.
Der Fuji ist ein Vulkan, der Weg besteht auf feinen Magma-Steinen, die bei jedem Schritt bergab nachgeben. Ich frage mich zum ersten Mal auf der Tour, was wir hier eigentlich machen.
Schritt für Schritt nähern wir uns dem Ziel: der 5.Station, trockenen Klamotten und etwas heißem zu trinken.
Als wir zurück an der 5. Station sind, liegen wir noch immer gut in der Zeit. Inzwischen hat es sogar aufgehört zu regnen.
Meistens habe ich noch ein Ersatz-Shirt und manchmal noch eine kurze Hose zum Wechseln dabei. Noch nie in meinem Leben war ich über frische Klamotten so glücklich wie heute!
Endlich raus aus den nassen Sachen!
Aus meinen Wanderschuhen konnte ich das Wasser regelrecht ausleeren. – Ungelogen.
Zwischen meinen Zehen waren Schwimmhäute gewachsen. – Zumindest gefühlt.
Meine Schuhe wollte ich nicht wieder anziehen. Im Shop fand ich ein paar stinkende, quietsche-pinke und überteuerte Gummischuhe.
Ich musste nicht einmal überlegen, ob ich sie kaufen soll…
Fazit: Fuji – die Erste: Es war einfach wundervoll!
Trotz guter Planung laufen die Dinge manchmal komplett anders.
Es war nass, es war kalt, es war windig.
Trotzdem kam nie schlechte Laune auf und wir haben das Maximum daraus gemacht.
Wahrscheinlich waren es aber genau diese widrigen Umstände, die mein Erlebnis am Fuji so nachhaltig geprägt haben.
Fuji – die Zweite:
Dass es mit dem Gipfel nicht geklappt hat, wollte ich so nicht auf mir sitzen lassen.
Also startete ich ein Jahr später einen zweiten Versuch.
Diesmal lag mein Hotel mitten in der Stadt, nur zehn Gehminuten von der Shinjuku Station entfernt. Die Abläufe, sprich wo der Bus abfährt etc. waren mir ja bereits bekannt.
Wie schon beim ersten Versuch hatte ich den Bus so geplant, dass wir gegen 20:00 Uhr an der 5. Station sind. Pünktlich um 18:15 fuhr der Bus ab. Während der Fahrt hatten wir noch gute 1,5 Stunden Zeit, um noch etwas Schlaf zu bekommen.
Als wir am Fuji ankamen, war es bereits dunkel.
Das Wetter war gut. Kein Regen, mäßiger Wind. Nur ein paar Wolken.
Nachdem wir uns im Visitors Center angemeldet und die Gebühr bezahlt hatten, machten wir uns auf den Weg.
Diesmal waren erstaunlich wenig Gipfelaspiranten unterwegs. Sicherlich lag es zum einen daran, dass wir diesmal den Obon-Feiertag gemieden haben. Zum anderen wahrscheinlich auch an der Uhrzeit. Außer einer Hand voll Leute hatten wir den Weg für uns alleine.
Verständlich. Hätten wir mehr Zeit, würden wir uns die Tour auf zwei Etappen aufteilen, um nicht die komplette Nacht durchlaufen zu müssen.
Dann würde ich am Vormittag starten, in Ruhe bei Tageslicht in Richtung Gipfel wandern und auf einer Hütte im oberen Teil übernachten. Die zweite Etappe würde ich so starten, dass wir zum Sonnenaufgang am Gipfel sind.
Den Abstieg zurück zur 5. Station kann man leicht am zweiten Tag machen.
Zeit war in unserem Fall allerdings Mangelware. In Ruhe am Vormittag loszulaufen geht leider nicht, uns bleibt nur die Nacht.
Apropos Nacht. Nachtschwarz war es in er Tat. Der Mond versteckte sich hinter dicken Wolken. Das dunkle Gestein des Berges reflektierte das Licht der Stirnlampen kaum.
Die Luft wird immer dünner, je weiter wir nach oben kommen. Die schleichende Müdigkeit beginnt, an unseren Kräften zu zehren. Es ist kalt.
Wir werden langsamer. Schritt für Schritt geht es durch die Nacht, immer bergauf.
Gegen Mitternacht sind wir an der 8. Station. Die Müdigkeit wird immer stärker spürbar. Der Fuji ist kein schwerer Berg, der Schlafmangel macht sich trotzdem bemerkbar. Wir frieren (die Temperaturen liegen nur leicht über dem Gefrierpunkt). Außerdem werden wir allmählich etwas unkonzentriert.
8. Station – Zeit für eine Pause
Die Sonne soll um kurz nach fünf aufgehen. Bis zum Gipfel haben wir noch etwa eine Stunde offizielle Gehzeit. Allerdings haben wir die angegebenen Zeiten bisher immer deutlich unterschritten.
Wir beschließen, an einer kleinen Hütte nach einem Schlafplatz zu fragen.
Nach einer heißen Miso-Suppe bekommen wir zu viert eine kleine Koje zugeteilt. Der Schlafbereich ist – obwohl es draußen Temperaturen hat, die nur knapp über dem Gefrierpunkt liegen – nicht beheizt. Es ist kalt und eng.
In den angeschwitzten Klamotten fallen wir zufrieden ins Bett. Dicht an dicht können wir doch noch etwas Schlaf erhaschen.
Pünktlich um vier Uhr klingelt der Wecker. Wir legen die Decken wieder zusammen, rücken die Kissen wieder ordentlich hin, setzten die Rucksäcke auf und kehren zurück in die kalte Nacht.
Noch immer ist draußen alles schwarz. Nur die Menschen werden mehr. Alle möchten zum Sonnenaufgang einen guten Platz am Gipfel haben.
Kurz vor fünf haben wir es endlich geschafft! Ein eisiger Wind pfeift. Egal.
Wir stehen am Gipfel!!!
Bei heißem Tee genießen wir den Sonnenaufgang. Leider bleibt es bewölkt.
Eigentlich wollten wir gerne noch den einstündigen Weg um den Krater herum laufen. Der Wind hat sich inzwischen zu einem kleinen Sturm entwickelt. Einzelne Böhen sind so stark, dass man tatsächlich kämpfen muss an Ort und stelle stehen zu bleiben, wenn man die Arme ausbreitet und sich genau gegen den Wind stellt.
Wir wissen nicht, wie sich der Wind weiter entwickelt. Außerdem ist es sehr kalt. Wir sammeln ein paar Impressionen, schießen noch ein paar Bilder und machen uns auf den Rückweg.
Also entscheiden wir uns, endlich unsere mitgebrachten Onigiri (kleine Snacks aus Reis mit allen möglichen Füllungen, umhüllt von einem Algenblatt) zu Essen und anschließend den Rückweg anzutreten.
Die Gesan Route – Der Weg zurück zur 5. Station
Der Weg zurück führt über die Gesan Route. Offiziell werden drei Stunden von der 10. bis zur 5. Station veranschlagt. Die Wege sind breit aber teilweise recht steil. Im feines Lava Gestein sacken wir beim Gehen immer wieder recht tief ein. Das macht ein Vorankommen merklich anstrengend.
Wie lange wir letztendlich für den Abstieg gebraucht haben, kann ich leider nicht sagen. Jedenfalls haben wir uns Zeit gelassen und die Aussicht – trotz der schweren Wolkendecke – genossen.
An der Bushaltestelle halten wir uns nur kurz auf. Wir haben Glück. Eigentlich hatten wir uns Plätze im 13:00 Uhr Bus reserviert. Nachdem genügend Plätze frei sind, können wir schon am Vormittag zurück nach Tokyo fahren.
Für uns heißt es jetzt: Schlafen. Und die wundervollen Eindrücke verarbeiten.